Jenseits von Allgemeinplätzen und simplen Heilsversprechen
- Einführung
- Burnout – Eine Einordnung
- Konsequenzen von Burnout
- Entstehung von Burnout
- Die Burnout-Spirale
- Burnout verhindern
- Der Burnout-Spirale entkommen
- Einen ausgeprägten Burnout überwinden
- Unsere Angebote zu Burnout
- Premium Content
- Fragen und Antworten zu Burnout
Einführung
Wir erleben derzeit einen drastischen Anstieg von Burnout-Fällen. Die Folge sind existenzielle Krisen der Betroffenen – aber auch von Unternehmen und Institutionen, denen ihre Leistungsträger verloren gehen.
Lag die Wahrscheinlichkeit, einmal im Leben ein Burnout zu haben, bisher bereits bei etwa 20%, steigt dieser Wert aktuell stark an. Es zeichnet sich ab, dass bald jeder vierte Mensch Gefahr läuft, irgendwann ein Burnout zu erleiden – in manchen Berufsgruppen sogar jeder Dritte!
Die Gründe für diese Entwicklung – die Zunahme an Intensität und Fallzahlen von Burnout – sind offensichtlich:
Die unvermindert anwachsende Arbeitsverdichtung und weiter steigende Anforderungen an Führungskräfte und Mitarbeitende bei einem gleichzeitigen Gratifikationsdefizit erhöhen den chronischen Stress, der die Hauptursache von Burnout ist.
Hinzu kommt aber ein immer stärker werdendes Gefühl der Hilflosigkeit angesichts existenzieller Krisen. Die Klimakatastrophe, Kriege und Pandemien haben spürbare Auswirkungen auf jeden Einzelnen, Familien und Unternehmen: lebensbedrohliche gesundheitliche Risiken, Inflation und Versorgungsengpässe, das Schwinden finanzieller Rücklagen, keine ausreichende Basis an Mitarbeitenden, um den Krisen etwas entgegensetzen zu können usw.
Begleitet werden diese Erschütterungen von einem Verfall vertrauter Verhältnisse. Wirtschaftliche und soziale Fundamente bröckeln nicht nur – sie zerbrechen. Davon betroffen sind Partnerschaften, Familien, Unternehmen, die Gesellschaft und politische Systeme. Wir leben in einer mittlerweile nicht mehr nur schwer verständlichen, sondern grundsätzlich unbegreiflichen Welt.
Diese Entwicklungen führen zu permanenter Angst und Verzweiflung und erzeugen zusätzlichen Stress – die perfekten Zutaten für ein sprunghaft ansteigendes und sich krebsartig sowie pandemisch ausbreitendes Burnout-Phänomen.
Es besteht dringender Handlungsbedarf. Dieser Artikel fasst vor diesem Hintergrund die aktuellen Erkenntnisse über Burnout zusammen und beschreibt bewährte, wirksame Vorgehensweisen – für den Einzelnen, aber auch als Basis für vorbeugende Konzepte in Unternehmen –, um dieser Pandemie etwas entgegenzusetzen.
Zum Thema Burnout gibt es einen kostenlosen Premium Content. Dabei handelt es sich um einen umfangreichen Selbsttest Burnout. Er liefert Ihnen Hinweise darauf, ob bei Ihnen Risiken für ein Burnout bestehen und wie Sie damit umgehen. Vor allem aber hilft er Ihnen, einen vielleicht beginnenden oder bereits ausgeprägten Burnout zu erkennen.
Burnout – Eine Einordnung
Burnout („Ausgebrannt sein“, „Zustand der totalen Erschöpfung“) ist ein Syndrom, d.h. eine Kombination von Symptomen (Krankheitszeichen), die typischerweise gemeinsam auftreten.
Ein Burnout wird in der ICD (Internationale Klassifikation der Krankheiten 11. Revision – ICD-11 für Mortalitäts- und Morbiditätsstatistiken) nicht als (psychische) Erkrankung eingestuft. Das macht das Burnout-Syndrom für die Betroffenen aber nicht weniger belastend oder problematisch.
Ein Burnout beginnt meist mit eher unauffälligen Frühsymptomen. Diese werden oft nicht als ernstzunehmende Hinweise auf ein potenzielles Burnout-Risiko wahrgenommen bzw. erkannt. Im weiteren Verlauf kann ein Burnout dann, wenn nicht rechtzeitig gegengesteuert wird, zur völligen Arbeitsunfähigkeit, zu schweren Erkrankungen und zum Suizid führen.
Burnout wird gelegentlich auch als Erschöpfungsdepression oder Stressdepression bezeichnet, weil sich die Symptome in weiten Teilen gleichen. In Fachkreisen wird die Feststellung eines Burnouts teilweise abgelehnt, weil sie den Blick auf eine möglicherweise vorhandene manifeste Depression im Sinne einer klinisch erkennbaren psychischen Erkrankung verstelle.
Daher ist es von großer Bedeutung, ein Burnout von psychischen Erkrankungen differentialdiagnostisch abzugrenzen, deren Symptome denen eines Burnout ähneln. Sonst bleiben letztere unerkannt und unbehandelt, während Maßnahmen zur Vorbeugung oder Überwindung von Burnout erfolglos verpuffen.
Frühsymptome eines beginnenden Burnouts
Einige typische Symptome eines beginnenden Burnouts sind folgende:
- Sie sind emotional weniger belastbar und reizbarer. Kleinigkeiten können Ihnen den ganzen Tag verderben.
- Sie können mit Enttäuschungen, kleinen Ärgernissen oder Unstimmigkeiten schlechter umgehen. Alles hängt Ihnen länger nach.
- Die Arbeit fällt Ihnen schwerer. Sie fühlen sich von Ihrer Arbeit oft überfordert und ausgelaugt.
- Sie können nicht mehr abschalten, nehmen Arbeit – real oder gedanklich – mit nach Hause und denken auch in Ihrer Freizeit und nachts an Ihre Arbeit – manchmal träumen Sie von der Arbeit.
- Selbst nach einem zweiwöchigen Urlaub fühlen Sie sich nicht vollständig erholt.
Die gesamte Liste finden Sie im Selbsttest Burnout, den Sie kostenlos durchführen können, siehe Premium Content.
Symptome eines ausgeprägten Burnouts
Halten die Ursachen, die zu einem Burnout führen können, weiter an und werden keine Gegenmaßnahmen ergriffen, entsteht ein ausgeprägter Burnout.
Im Folgenden finden Sie eine Auswahl typischer Symptome eines ausgeprägten Burnouts. Die gesamte Liste finden Sie ebenfalls im Selbsttest Burnout.
- Sie ziehen sich immer mehr aus Ihrem Bekanntenkreis und Ihrer Familie zurück. Den Kontakt mit Menschen empfinden Sie zunehmend als anstrengend.
- Ihr Leben wird eintöniger. Ihnen fehlt die Kraft, Ihren bisherigen Interessen und Hobbies nachzugehen. Sie haben zu nichts mehr Lust.
- Gleichgültigkeit breitet sich bei Ihnen aus. Alles wird zur Belastung, alles wird „zu viel“.
- Ihr Körper spielt nicht mehr mit. Ihr Magen rebelliert, Ihr Kreislauf geht in die Knie, Ihr Rücken schmerzt und Ihr Immunsystem kapituliert vor jedem Schnupfen.
- Sie wissen immer öfter nicht mehr ein noch aus, Verzweiflung macht sich dann breit.
Im Premium Content finden Sie zudem Symptome einer Depression. Das dient dazu, Sie für diese Möglichkeit zu sensibilisieren, damit Sie Ihre Situation ggf. von einem Arzt oder Psychologen abklären zu lassen.
Konsequenzen von Burnout
Ein Burnout geht mit ernstzunehmenden psychischen Belastungen einher, die Auswirkungen auf alle Lebensbereiche der Betroffenen haben: auf ihr Denken, Fühlen und Verhalten, auf ihren Körper, ihre sozialen Beziehungen und ihren Beruf.
Das ganze Leben wird durch einen Burnout beeinträchtigt: Die Lebensqualität ist deutlich vermindert, Glück und Zufriedenheit nehmen ab. Burnout ist ein Risikofaktor für das Auftreten schwerwiegender psychischer und körperlicher Krankheiten, wie Depression, Angsterkrankungen, Herzinfarkt, Schlaganfall, Osteoporose und Diabetes sowie für Alkohol-, Medikamenten- und Drogenmissbrauch. Burnout verkürzt unbehandelt die Lebenserwartung. Die beruflichen Auswirkungen reichen von schweren Leistungseinbußen bis zur Arbeitsunfähigkeit.
Die pandemische Zunahme von Burnout führt auch zu massiven wirtschaftlichen Schäden für den Einzelnen, für Unternehmen und Volkswirtschaften. Schätzungen zufolge verzeichnen wir allein in Deutschland in den Unternehmen aktuell 4,5 Millionen Krankheitstage pro Jahr aufgrund von Burnout. Die wirtschaftlichen Schäden werden auf mehr als 120 Milliarden Dollar pro Jahr in der EU und den USA geschätzt.
Bei alldem sind aber vor allem die individuellen Schicksale bedrückend, die von schwerstem Leid bis hin zur Selbsttötung gehen. Hier die Wahrnehmungen und Erfahrungen eines Klienten, der an einem mittelgradig ausgeprägten Burnout litt:
Bericht eines Betroffenen
Es ist mal wieder so weit. In meinem Kopf breitet sich dieses dumpfe Gefühl aus. Tränen schießen mir in die Augen. Mit einer fadenscheinigen Ausrede, jämmerlich und mit zitternder Stimme vorgetragen, flüchte ich in mein Büro und schließe die Tür. Meine Kollegen bleiben kopfschüttelnd und tuschelnd zurück – so stelle ich es mir jedenfalls vor.
Ich bin wütend. Es ist so ungerecht. Ich bin ein gestandener, erfolgreicher und geachteter Mann. Warum passiert mir das? Und nicht diesen ganzen Idioten in meiner Abteilung. Der arrogante Arsch von Chef tut immer so verständnisvoll, lacht sich aber hinter meinem Rücken einen Ast. Diese kalten, groben und gefühllosen Klötze scheinen völlig immun.
Und ich habe ein mulmiges Gefühl, nein, ich habe Angst. Oft. Erst dieses beengte Gefühl im Brustraum und dann diese plötzliche Scheißgefühl im Bauch, wie ein Schlag in den Magen. Das fängt schon beim Erwachen an. Augen auf, zack! Der Schlag in die Magengrube: Angst vor dem Tag. Dann vor jedem Termin, jedem Gespräch und jedem Telefonat. Angst vor neuen Herausforderungen, vor jeder neuen Aufgabe und jedem Projekt. Angst den Job zu verlieren, andere zu enttäuschen, die Familie im Stich zu lassen.
Das hat langsam angefangen. Erst wurde ich ungeduldiger, meine Toleranzschwelle sank. Dann begannen die Stimmungsschwankungen, Hochs und Tiefs, aber immer öfter Tiefs. Meine Einstellung gegenüber Teammitgliedern, den Kollegen und dem ganzen Unternehmen wurde negativer. Ich wurde ungerecht, auch meiner Partnerin und meinen Kindern gegenüber. Und ich wurde aggressiv und körperlich übergriffig. Ich schäme mich so sehr dafür.
Deshalb habe ich angefangen, mich zurückzuziehen, mich einzuigeln. Ich bin zunehmend allein und habe auch das Gefühl, allein zu stehen. Ich finde es unerträglich, wenn andere Menschen ausgelassen und fröhlich sind. Ich spüre dann meine Traurigkeit umso mehr und könnte heulen. Ich ziehe mich dann müde und kraftlos in meine Höhle zurück. Um zu schlafen. Ich will nur noch schlafen. Es ist so, als ob alles grau ist, so als ob ich nicht mehr riechen und schmecken kann. Ich friere, fange gleichzeitig an zu schwitzen und habe furchtbare, Kolik-artige Bauchschmerzen. Meine Ernährung ist zum Kotzen, ich treibe keinen Sport und gehe auseinander wie ein Pfannkuchen.
Ich schaffe es nicht mehr. Ich bin nicht mehr belastbar, habe ständig das Gefühl der Überforderung. Ich kann mich nicht mehr konzentrieren, keinen klaren Gedanken fassen, mache Fehler, verfüge über keine Lösungskompetenzen mehr und habe zunehmend Versagensängste, was alles nur noch schlimmer macht. Es bleibt immer mehr unerledigt, was den Druck weiter erhöht und mich nur noch erschöpfter werden lässt.
Ich ertappe mich dabei, im Job kontraproduktiv und geschäftsschädigend zu handeln, nur damit nicht noch mehr Arbeit auf meinem Schreibtisch landet. Hoffentlich ertappt mich kein anderer dabei.
Trotz der enormen Bedeutung wird Burnout häufig zu spät erkannt oder nur unzureichend behandelt. Wichtig sind daher die individuelle, nachhaltige und wissenschaftlich fundierte Therapie und Begleitung. Burnout ist besiegbar.
Entstehung von Burnout
Ein Burnout entsteht durch die Folgen von chronischem – d.h. allmählich zunehmenden und bestehenbleibendem – Stress. Kann ein Mensch dem Stress nicht genug entgegensetzen, um ihn zu bewältigen, und kommen noch in seiner Persönlichkeit liegende verstärkende Faktoren hinzu, wird er mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Burnout erleiden.
Bei den stressauslösenden Faktoren und stressreduzierenden Denk- und Verhaltensweisen ist wichtig zu beachten, dass diese individuell sehr unterschiedlich sein können. Das liegt in der jeweiligen Persönlichkeit begründet. Was für den einen ein Stressor ist, kann für den anderen ein anregender Energiespender sein. Typische Beispiele sind Verantwortung oder Veränderung. Beides wird sehr unterschiedlich von verschiedenen Menschen wahrgenommen.
Vor diesem Hintergrund sind auch die Sammlung möglicher Stressoren sowie von Denk- und Verhaltensweisen zur Stressabwehr in unserem Selbsttest Burnout und die im Folgenden genannten Beispiele zu sehen. Es handelt sich um Faktoren, die von der Mehrzahl der Menschen eher als Stressoren oder Stresshemmer wahrgenommen werden.
Stressauslösung
Chronischer Stress kann durch direkte und indirekte externe Einflüsse ausgelöst werden. Indirekte Stressoren wirken auf Umwegen. Zum Beispiel kann mangelnde Wertschätzung zu Wut, Trauer oder Angst führen, die ihrerseits stressauslösend wirken. Man nennt das dann emotionalen Stress.
Für die Mehrzahl der Menschen wirken Faktoren dieser Art stressauslösend (die gesamte Liste finden Sie wieder im Selbsttest Burnout):
- Dauerhafte Überlastung durch die auf Ihnen ruhenden Arbeitslast
- Ständige Überforderung durch die an Sie gestellten Anforderungen
- Unklare Erwartungen an Sie bzw. Ihre Rolle
- Job oder Unternehmen passen nicht (mehr) zu Ihnen
- Fehlende Anerkennung und geringe Wertschätzung
Einschub: Stress und Digitalisierung
Es wurde in den letzten Jahren vielfach nachgewiesen, dass die Digitalisierung einen wesentlichen Anteil an der Zunahme von Stress und Burnout hat. Man spricht in diesem Zusammenhang bereits vom „digitalen Burnout“. Grund sind die mit der digitalen Transformation einhergehende Beschleunigung von Interaktionen und Arbeitsabläufen, verbunden mit einer gleichermaßen steigenden Komplexität der Anforderungen an Führungskräfte und Mitarbeitende. Diese stellen für die meisten Menschen massive Stressoren dar. Wenn hier keine gezielten Gegenmaßnahmen ergriffen werden, könnte die sich auftuende digitale Kluft einen größeren Teil der Menschen verstärkt in den Burnout treiben.
Stressbewältigung
Jeder Mensch beherrscht Mechanismen und Strategien zur Stressbewältigung. Sie helfen, den natürlicherweise auftretenden, unausweichlichen Stress des Lebens im Zaum zu halten. Übersteigt aber das Stressniveau die Fähigkeit zur Stressbewältigung, dringt ein gewisses Maß an Stress durch und kann seinen schädlichen Einfluss entfalten.
Für viele Menschen wirken diese Denk- und Verhaltensweisen stressreduzierend (die gesamte Liste finden Sie wieder im Selbsttest Burnout):
- Realistische, erreichbare Ziele
- Selbstorganisation
- Erleben und Gefühle akzeptieren – ohne zu werten und zu urteilen
- Tief verwurzelte Bedürfnisse und Wünsche erkennen und befriedigen
- Gesundheit – Gewicht, Bewegung, Nahrung, Schlaf, kein Alkohol usw.
Stressverstärkung
Wird auftretender Stress nicht oder nur teilweise bewältigt, kann es zu einer Verstärkung des verbliebenden Stresses durch eine negative intrapersonale Dynamik (Abwärtsspirale) kommen. In ungünstigen Konstellationen kann das zu einer Stress-Eskalation führen, bei der sich Betroffene in einen emotionalen Ausnahmezustand hineinsteigern.
Die Ursache dieser verstärkenden Mechanismen liegen in bestimmten Persönlichkeitsmerkmalen, die zu stresssteigernden Denkweisen, Gefühlen und Verhaltensweisen führen können.
Ein solches Persönlichkeitsmerkmal ist die Vulnerabilität (emotionale Verletzlichkeit) eines Menschen. Vulnerable (verletzliche) Menschen werden von negativen Ereignissen schwer getroffen und brauchen viel Zeit, um sich zu erholen – um ihre ursprüngliche Stabilität und Sicherheit wiederzuerlangen. Zu solchen Ereignissen gehören Schicksalsschläge, ein schwerer Verlust, Rückschläge und Pech im Leben – aber eben auch Stress.
Auch ausgeprägte Glaubenssätze, an denen Menschen unerschütterlich festhalten, gehören dazu. Diese werden manchmal auch Burnout-Treiber genannt. Typische Vertreter sind:
- Sei perfekt! Ich muss es noch besser machen, ich bin nicht gut genug.
- Mach schnell! Ich muss schneller werden, sonst werde ich nie damit fertig werden.
- Streng dich an! Ich muss mich bemühen, auch wenn ich es nicht schaffe.
- Mach’s allen recht! Ich muss alle zufrieden stellen.
- Sei stark! Sie dürfen nicht wissen, dass ich schwach und ratlos bin.
- Denen zeige ich es! Ich will und werde es allen zeigen.
Jeder dieser Sätze kann selbst Stress erzeugen, sicher aber in angespannten Situationen den Stress erhöhen. Glaubenssätze sind unerschütterliche Muss-Vorstellungen, die für die Betroffenen zwingend wahr scheinen.
Zudem wurde festgestellt, dass besonders ehrgeizige oder idealistische Menschen überproportional oft von Burnout betroffen sind. Sie zeigen eine große Leistungsbereitschaft und starke Erfolgsorientierung. Zudem haben sie besonders hohe fachliche und moralische Ansprüche an die eigene Person, die anderen nicht selten unerreichbar scheinen. Manchmal bezeichnet man diese Menschen auch als „Superachiever“. Sie sind besonders empfindlich, wenn sie ihre Ziele nicht erreichen. Sie erleben dann starke Frustrationen, was stressverstärkend wirkt.
Und schließlich wirkt auch ein Raubbau am Körper, zu dem manche Menschen neigen, stressverstärkend. Dieser Raubbau drückt sich in zu wenig Bewegung, Schlafmangel, ungesunde Ernährung – zu viel oder zu wenig – und im Konsum von Alkohol, Medikamenten oder Drogen usw. aus. Das schwächt die natürliche Stressabwehr, was umgekehrt einer Stressverstärkung gleichkommt.
Die Burnout-Spirale
Die oben erwähnten und weitere derartige Persönlichkeitsmerkmale führen Menschen dann in den Sog von Burnout-Spiralen. Das sind „Teufelskreise“ – stabile, sich selbst verstärkende Rückkopplungsschleifen – denen sie nicht so einfach entrinnen können.
Man kann die Burnout-Spirale Anhand von Beispielen gut illustrieren:
- Stress führt zu einem Problem. Die Fixierung auf das Problem – was häufig durch ein „gedanklich nicht loslassen können“, zwanghaftes Grübeln und einem Zuviel an Selbstreflexion gekennzeichnet ist – führt dazu, dass das Problem größer wahrgenommen wird und den Stress erhöht. Das verstärkt wiederum die Fixierung auf das Problem.
- Jemand hat den starken Wunsch, etwas zu kontrollieren, was eigentlich nicht kontrollierbar ist. Das führt zu einem gefühlten Kontrollverlust und damit verbundenem Stress, was ein größeres Verlangen nach Kontrolle nach sich zieht. Der gefühlte Kontrollverlust („alles entgleitet mir“) und der Stress nehmen zu.
- Negatives Erleben, zum Beispiel ein Fehler oder ein Scheitern, führt zu negativen Gedanken und Gefühlen. Diese erzeugen Stress, der zur mentalen bzw. kognitiven Einengung führt (Tunnelblick statt Lösungssuche), was das negative Erleben verstärkt.
Eine bekannte, dazu passende Geschichte ist die von dem völlig erschöpften Holzfäller mit einer stumpfen Axt. Auf die Frage, warum er seine Axt nicht schärft, antwortet er: „Ich muss heute noch so viele Bäume fällen, dass ich keine Zeit zum Schärfen habe.“ - Und schließlich noch die self-fulfilling prophecies: Die Erwartung eines Versagens führt zu Stress, was das Verhalten so beeinflusst, dass es zum Versagen kommt und die Erwartung damit bestätigt und verstärkt wird.
Das Besondere dieser „inneren Stressverstärker“ ist, dass sie tief in der Persönlichkeit verankerte, stabile Wesensmerkmale eines Menschen sind. Solche Wesensmerkmale, auch Traits genannt, entwickeln sich in der Kindheit und Jugend. Sie sind zeitlich weitgehend stabil und begleiten uns unser ganzes Leben als Erwachsene. Sie sind also Teil dessen, was einen Menschen besonders macht. Sie sind ein Teil seines Charakters.
Und es sind nicht etwas „negative Eigenschaften“ eines Menschen, über die man sich ärgern müsste. Eine Bewertung dieser Art verbietet sich, denn jeder dieser Persönlichkeitsmerkmale hat seine guten Seiten.
Im Kontext der Behandlung bzw. Überwindung von Burnout sind sie einfach nur Herausforderungen für die Betroffenen, die bewältigt werden können. Dann werden aus „Teufelskreisen“ „Engelskreise“, die von einer positiven Dynamik raus aus dem Burnout und rein ins Glück gekennzeichnet sind.
Burnout verhindern
Es ist besser, einem Burnout vorzubeugen (Burnout-Prävention), als ihn später überwinden zu müssen. Der Kampf gegen einen ausgeprägten Burnout bringt einen großen zeitlichen und finanziellen Aufwand sowie emotionale und körperliche Opfer mit sich.
Deshalb empfehlen wir Ihnen, mögliche Anzeichen für einen beginnenden oder leichten Burnout bei sich selbst, einem Ihrer Mitarbeitenden bzw. einem Kollegen oder Freund sehr ernst zu nehmen und sofort etwas dagegen zu unternehmen. Das ist ohne Unterbrechung der Berufstätigkeit möglich.
Um das Entstehen eines Burnouts zu verhindern oder einen beginnenden Burnout zu stoppen, hat sich der Ansatz des dreifachen „E“nach Hillert und Marwitz bewährt:
- Entlastung: Externe Stressoren reduzieren oder beseitigen
- Erholung: Burnout-Symptome reduzieren
- Ernüchterung: Wirkung intrapersonaler stressverstärkender Faktoren abschwächen
In jedem der drei Interventionsbereiche Entlastung, Erholung und Ernüchterung können Maßnahmen auf der systemischen Ebene und der individuellen Ebene ergriffen werden.
Auf der systemischen Ebene geht es darum, die äußeren Verhältnisse so zu verändern, dass die Burnout-Risiken abnehmen. Man spricht daher auch von der Verhältnisprävention. Berufstätige Menschen, die in eine Organisation eingebunden sind, können das in begrenztem Rahmen durch die Gestaltung des individuellen Einflussbereichs erreichen. Gleichzeitig sind aber auch die verantwortlichen Stellen eines Unternehmens – Vorstand, Personalbereich und Stabsstellen zur Organisationsgestaltung – gefordert, strukturelle Veränderungen und Maßnahmen zur Organisationsentwicklung einzuleiten.
Maßnahmen auf der systemischen Ebene zielen auf organisationale Strukturen und Prozesse, die Kultur und das Betriebsklima – das Miteinander –, die Rollen von Führungskräften und Mitarbeitenden u.ä. ab. Aber auch Faktoren außerhalb des beruflichen Bereichs spielen eine Rolle: Partnerschaft, Familie, Lebenssituation, soziales Umfeld usw.
Auf der individuellen Ebene geht es um Veränderungen im Denken, dem Fühlen und Verhalten, um mit Stress auf “gesündere“ Weise umzugehen und aktiv zu reduzieren. Verkürzt spricht man hier von Verhaltensprävention.
Entlastung
Bei der Entlastung geht es darum, stressauslösende Faktoren zu identifizieren und deren Wirkung auf Sie zu mindern oder sie ganz aus der Welt zu schaffen.
Wir hatten Beispiele von Stressoren im Kapitel über die Entstehung von Burnout bereits genannt. Ihre Beseitigung erfolgt in erster Linie auf der systemischen Ebene. Zum Beispiel durch das Sicherstellen einer bestmöglichen Passung der Persönlichkeit zu den Aufgabenbereichen der Beschäftigten, eine an die vorhandenen Ressourcen angepasste Arbeitslast für jeden Einzelnen, entlastende Regeln für Urlaub und Freizeit, effiziente und zielführende Prozesse mit klaren Verantwortlichkeiten und leistungsfähigen Tools zur Unterstützung der Menschen, Führungskräfteentwicklung und Personalentwicklung in stressrelevanten Gebieten usw.
Aber auch auf der individuellen Ebene gibt es Möglichkeiten, Stressoren zu bekämpfen. Zum Beispiel kann man sich durch Delegation oder Veränderung des Verantwortungsgebietes stresserzeugender Aufgaben entledigen und dafür spannende, anregende neue Aufgaben übernehmen, durch gutes Selbstmanagement die Arbeit stressfrei organisieren, die Erreichbarkeit in der Freizeit nach Ankündigung und Absprachen reduzieren, Rollenklarheit und Anerkennung einfordern usw.
Erholung
Bei der Erholung geht es um die Verringerung von Burnout-Symptomen. Das gelingt durch Coping-Strategien zur Bewältigung von Stress insbesondere auf der individuellen Ebene.
Es gibt eine schier unendliche Liste an Maßnahmen zum besseren Umgang mit Stress, die aber unterschiedlich gut zu den verschiedenen Typen von Menschen passen und wirken. Eine große Auswahl finden Sie in unserem Selbsttest Burnout. Beispiele solcher Maßnahmen zur Stressreduktion sind:
- Sie sprechen mit anderen Menschen – Kollegen, Freunden, Familie, Partner – über Ihre Probleme oder Überforderung und holen sich Hilfe.
- Sie schützen sich in stressreichen Phasen und nehmen Auszeiten, in denen Sie abschalten und entspannen.
- Sie grenzen sich ab und sagen Nein, um sich zu entlasten oder wenn es zu viel wird.
- Sie achten darauf, Ihren Urlaub ungestört verbringen und abschalten zu können.
- Sie erlernen Entspannungstechniken und setzen diese ein, um Stress abzubauen.
- Sie achten auf Ihre Gesundheit.
Auf der systemischen Ebene können diese individuellen Bemühungen durch Coaching-Konzepte, Programme zum betrieblichen Gesundheitsförderung, zur Führungskräfteentwicklung und Personalentwicklung u.ä. unterstützt und gefördert werden.
Einschub: Stressbewältigung durch Digitalisierung
Digitalisierung erzeugt Stress und fördert Burnout. Umgekehrt kann die Digitalisierung aber auch wertvolle Beiträge zur Überwindung von Burnout leisten. In einer Studie mit mehr als 300 Teilnehmenden wurde die Wirksamkeit eines appbasierten Achtsamkeitstrainings in Bezug auf Burnout-relevante Indikatoren untersucht. Es zeigten sich in allen untersuchten Bereichen positive (signifikante) Effekte mit großen Effektstärken: Die Nutzer und Nutzerinnen weisen höhere Werte in Bezug auf Achtsamkeit, Arbeitsengagement, Arbeitszufriedenheit, emotionale Intelligenz, Innovation und Kreativität sowie Selbstwirksamkeit und geringere Werte in der emotionalen Erschöpfung auf.
Ernüchterung
In diesem Interventionsbereich geht es um die Abschwächung intrapersonaler stressverstärkender Faktoren. Der hierfür gewählte Begriff Ernüchterung bezieht sich vermutlich auf den ersten notwendigen Schritt: Die Akzeptanz der Tatsache, dass es fest in uns verankerte Persönlichkeitseigenschaften gibt, die Stress verstärken können und die wir kaum ändern können.
Stattdessen müssen wir uns dieser Seiten unseres Wesens bewusstwerden und lernen, ihren Einfluss zu reduzieren. Zur Identifikation von intrapersonalen Stressverstärkern empfehlen wir bestimmte psychologische Diagnostiken, mit deren Hilfe die dauerhaften Wesensmerkmale eines Menschen (Traits) bestimmt werden können. Dazu gehören zum Beispiel das Big Five Modell (Fünf-Faktoren-Modell) oder das Reiss Motivation Profile.
Und dann beginnt die Arbeit daran, ihre stressverstärkenden Einflüsse abzuschwächen. Das ist ein in höchstem Maße individueller Prozess. Denn jede Persönlichkeit ist einzigartig und erfordert daher ganz unterschiedliche Interventionen.
Bei einigen weiter oben unter „Stressverstärkung“ diskutierten Wesensmerkmalen bieten sich die folgenden Maßnahmen an:
Ein vulnerabler Mensch ist besonders stressempfindlich und muss sich daher in besonderem Maße vor Stress schützen. Dazu nutzt er Techniken, wie sie oben unter „Entlastung“ diskutiert wurden.
In manchen Ratgebern findet man den Tipp, die eigene Resilienz – das Gegenteil von Vulnerabilität – zu steigern. Das ist allerdings wenig zielführend, denn das käme einer Veränderung der Primärpersönlichkeit gleich – ein schwieriges bis unmögliches Unterfangen. Stattdessen sollte es darum gehen, durch Selbstschutz die negativen Konsequenzen der Vulnerabilität zu mindern.
Glaubenssätzen können wir zum Beispiel mit Methoden aus dem Bereich kognitiver Verhaltenstherapien beikommen. Sie unterstützen die Betroffenen dabei, stresserzeugenden kognitiven Verzerrungen – und nichts anderes sind Glaubenssätze – aus eigener Kraft gegenzusteuern.
Alternativ kann auch der Versuch unternommen werden, den stresserzeugenden Glaubenssätzen entspannende Lebensmaxime entgegenzusetzen. Zu deren Verankerung bedient man sich Techniken, die auch bei zum Beispiel bei Mantras, Affirmationen oder in der Hypnose genutzt werden. Beispiele solcher Lebensmaximen sind:
- Es gibt kein Muss! Wenn der Preis zu hoch ist, werde ich loslassen.
- Ich begrüße Krisen als Lern- und Wachstumschancen.
- Es gibt keine Fehler! Es gibt nur Ereignisse, denen ich noch nicht ermöglicht habe, sich zu meinen Gunsten zu entwickeln.
- Ohne mein Einverständnis kann mich nichts und niemand verletzen.
- Ich habe jedes Recht, alles zu tun, um glücklich und zufrieden zu sein.
- Ich konzentriere mich auf das Gute und meine Seele wird die Farbe meiner Gedanken annehmen.
Auch die besonders ehrgeizigen oder idealistischen Menschen unter uns leiden unter Glaubenssätzen, die sich meist um Erfolg und Leistung drehen. Auch sie können von dem eben gesagten profitieren.
Der Burnout-Spirale entkommen
Im Kern geht es bei alldem darum, dem Teufelskreis der Burnout-Spirale zu entkommen bzw. die negative Dynamik in eine positive zu wenden. Dazu können wir an jedem Element der Burnout-Spirale ansetzen.
Die eben diskutierten Interventionen setzen bei der Stressvermeidung und Reduktion negativer bzw. Aktivierung positiver Gedanken an. Ebenso können wir durch bewusst herbeigeführte positive Gefühle und neue, ggf. paradoxe Verhaltensweisen das Stresserleben positiv beeinflussen. Durch Entspannungstechniken und veränderte, motivierende Lebensmaxime kann der Fixierung und damit der Verstärkung des Stresserlebens entgegengewirkt werden. Und eine bewusste Lösungsorientierung und Aktivierung des kreativen Potenzials eines Menschen kann den Verlust an Lösungskompetenz kompensieren.
Praxisbeispiel für die Verhinderung eines Burnouts
Fallbeschreibung
P. hat einen neuen Job in einem innovativen Unternehmen mit flachen Hierarchien, in dem viele Freiräume gewährt werden. Aufregende, anspruchsvolle Projekte ziehen ihn in ihren Bann. P. sieht die enormen Chancen, die ihm diese Position eröffnet.
Zusammen mit seinem Team erzielt P. hervorragende Ergebnisse und erntet viel Anerkennung, was ihn mit Stolz erfüllt. Er kniet sich immer mehr rein – auch abends und am Wochenende – und übernimmt die gesamte Planung und die Konzeptentwicklung. Er arbeitet systematisch und zielgerichtet an seinem Erfolg und begeistert seine Vorgesetzten.
Zwischen all den positiven Gefühlen spürt P., dass ihn der Druck auch manchmal belastet. Abends ist er müde, weil er zu wenig schläft. Dann trinkt er auch mal ein Glas Wein mehr, um runterzukommen.
Aufgrund seiner Leistungen werden P. immer mehr Aufgaben übertragen. Gleichzeitig verlassen einige Mitarbeitende sein Team, weil P. von ihnen dasselbe Arbeitspensum erwartet, wie von sich selbst. Da spielen sie nicht mit. Andere aus dem Team werden krank. Der Arbeitsumfang für P. nimmt immer weiter zu. Er wird zunehmend mürrisch und ungerecht.
In der Folge stellen sich viele Symptome eines Burnouts ein. P. bricht schließlich zusammen.
Mögliche Maßnahmen zur Verhinderung des Burnouts
P. hätte spätestens bei den ersten stressbedingten Symptomen, als er erstmals den Druck gespürt hatte, auf sein Stressniveau achten sollen. Ihm wäre dann klar geworden, dass er sich völlig überfordert und dass das nicht lange gut gehen kann.
Er hätte dann seine überambitionierten Ziele revidieren sollen, um sich und sein Team operativ und mental zu entlasten. Das hätte auch dazu geführt, dass ihm die gesamte Arbeitskraft seines Teams erhalten geblieben wäre.
Um seine Batterien wieder aufzutanken, hätte er Auszeiten in Form von einigen Urlaubstagen nehmen sollen, in denen er abschalten und Dinge hätte tun können, die nichts mit seiner Arbeit zu tun haben.
Zur Unterstützung hätte er einige wirksame Entspannungstechniken erlernen und trainieren sollen, um sich runterfahren zu können. Und er hätte seinem Körper etwas Gutes tun können.
Um die Dinge zu identifizieren, die ihm neben Leistung und Erfolg im Beruf richtig guttun und sinnstiftend wirken, hätte sich P. auf die Suche nach den tief in ihm verwurzelten Bedürfnissen und Wünschen machen sollen, deren Befriedigung seine Energietanks füllt. Die hätte er auch in seiner Arbeit unterbringen können. Und er hätte sie im Rahmen von (neuen) Hobbies kultivieren können. Auf diese Weise hätte er Sinnerfüllung neben der Arbeit finden können, was sein Leben bereichert und ihm neue Perspektiven eröffnet hätte.
Um Verständnis für die Veränderungen seiner Ziele, Einstellung und seines Verhaltens innerhalb des Unternehmens zu schaffen, hätte er mit seinen Vorgesetzten und Mitarbeitenden offen über das von ihm wahrgenommene Risiko einer Überforderung sprechen und die negativen Konsequenzen eines „weiter so“ aufzeigen müssen. Aufgrund seiner von allen wahrgenommenen und geschätzten Qualitäten und Kompetenzen hätte er die nötige Akzeptanz schaffen können.
Durch klare Regeln und Absprachen mit seinen Führungskräften und seinem Team hätte er sich den Freiraum schaffen können, um diese Veränderungen weitgehend reibungsfrei umsetzen zu können.
Einen ausgeprägten Burnout überwinden
Das Vorgehen, um aus einem ausgeprägten Burnout wieder herauszukommen, basiert auf den oben beschriebenen Interventionen und wird durch zusätzliche, erheblich weitergehende Elemente ergänzt.
Unumgänglich sind in dieser Situation die Akzeptanz und Bereitschaft, noch eine Weile ein gewisses Maß an Belastung und Unbehagen auszuhalten und zwischenzeitlich sogar weitere Opfer zu bringen. Denn es braucht Zeit, einen ausgeprägten Burnout zu überwinden. Andererseits gibt es keine Alternative.
Zudem ist in fast allen Fällen eines ausgeprägten Burnouts eine kurze oder längere Auszeit unumgänglich. Meist handelt es sich um vier bis sechs Wochen, in denen man Urlaub nimmt oder krankgeschrieben wird und sich auch räumlich aus dem gewohnten, stresserzeugenden Umfeld hinausbewegt.
In dieser Zeit taucht man aber nicht in Inaktivität ab, das führt i.d.R. zur Verstärkung der Symptomatik bis hin zu einem Eintritt in eine Depression. Stattdessen ist die Zeit mit vielfältigen, energiespendenden Aktivitäten angefüllt, die ggf. einem minutiösen Plan folgen, sowie mit intensivem Einzel-Coaching, Gruppensitzungen bzw. mit einer Psychotherapie.
Die Überwindung eines Burnouts erfolgt in vier sich überlappenden Phasen.
Phase 1: „Ich leide an einem Burnout“
Am Beginn der Gesundung steht das Eingeständnis, an einem ausgeprägten Burnout zu leiden, und die Akzeptanz, dass es sich dabei um ein einschneidendes Lebensereignis handelt. Unmittelbar danach ist die Entscheidung notwendig, aktiv dagegen anzugehen. Damit geht dann auch bereits die Planung einer Auszeit einher, sofern sie nicht spontan möglich ist.
Die gute Nachricht, falls Sie zum Kreis der von Burnout Betroffenen gehören, ist: Indem Sie diesen Text lesen, haben Sie bereits den ersten Schritt dahin getan, das Thema Burnout hinter sich zu lassen. Denn es gehört Einsicht und Willenskraft dazu, sich als Betroffener aufzuraffen und sich auf die Suche nach Lösungen zu machen. Diese Willenskraft wird Sie nun auch weiterbringen.
Phase 2: Sofortmaßnahmen
Nachdem die Einsicht vorhanden ist, einem Burnout zum Opfer gefallen zu sein, sollten schnellstmöglich Maßnahmen ergriffen werden, um den emotionalen Ausnahmezustand aufgrund der Stress-Eskalation zu beenden. Hierzu sind Sofortmaßnahmen innerhalb der Burnout-Spirale ein guter Weg, siehe oben unter „Der Burnout-Spirale entkommen“.
Drei Interventionen haben sich in der Praxis bewährt. Die erste ist die mentale Deeskalation und Entlastung durch das Durchspielen eines Worst-Case-Szenarios. Dazu überlegt man sich zunächst, was aus der gegebenen Situation im schlimmstmöglichen Fall entstehen könnte. Mit welchen Konsequenzen müssten man rechnen? Welche negativen Auswirkungen hätte sie auf die verschiedenen Lebensbereiche? Dann malt man sich im Detail aus, wie man sich in dieser neuen Lebenssituation fühlen, wie man sich verhalten und mit ihr umgehen würde. Damit verbunden ist die Frage, ob man sich vielleicht nach einer gewissen Übergangszeit mit der neuen Situation arrangieren könnte. Und ob nicht vielleicht sogar positive Aspekte damit einhergehen, die neue Entwicklungsmöglichkeiten eröffnen. Dieses „Entkatastrophisieren“ nimmt meist sofort emotionalen „Druck aus dem Kessel“.
Die zweite Option ist, scheinbar paradox zu handeln. Man macht das Gegenteil von dem, was es jemanden in der aktuellen Situation der Stress-Eskalation drängt zu tun. Befindet man sich zum Beispiel in einer Überforderungssituation durch zu viele Aufgaben, hat man den Drang, noch mehr und schneller zu arbeiten. Das verstärkt aber die negative Dynamik. Stattdessen tut man das Gegenteil: Man bewahrt Ruhe, geht aus der Situation, entspannt sich und lädt die Batterien erstmal etwas auf.
Und schließlich kann es helfen, eine intensive, elementare bzw. existenzielle Erfahrungen zu machen. Das können unterschiedliche Dinge sein, die auch sehr von der individuellen Persönlichkeit abhängt. Beispiele: Fasten, Wandern im Hochgebirge oder entlang des Jakobswegs, in freier Natur eine Zeit lang ohne die Errungenschaften der Zivilisation leben, Klettern im Hochseilgarten, in einem Segelflugzeug oder mit einem Paraglider fliegen, Fallschirmspringen, Rafting, Bungee-Jumping usw.
Phase 3: Stabilisierung
In der Stabilisierungsphase werden geeignete Interventionen aus den Bereichen des Ansatzes der dreifachen „E“ im Rahmen einer Auszeit fokussiert angewandt, siehe das Kapitel „Burnout verhindern“. Damit können bereits viele Ursachen und Symptome des Burnouts abgeschwächt und gesunde Voraussetzungen für ein Leben ohne Burnout geschaffen werden.
Um die Ursachen eines derart schweren Verlaufs und nachhaltige positive Veränderungen zu erreichen, sind zudem meist auch die Anwendung psychotherapeutischer Verfahren notwendig. Die Ursachen intrapersonaler Stressverstärker liegen zum Beispiel oft auch in ungelösten Konflikten oder traumatischen Erlebnissen in der Kindheit der Betroffenen. Ihre Identifikation und Beseitigung kann zum Beispiel Aufgabe einer (psychodynamischen) Psychotherapie sein. Und mit Hilfe von (kognitiven) Verhaltenstherapien können erlernte und tief verwurzelte stresserzeugende und stressverstärkende Verhaltensweisen dauerhaft überwunden werden.
Phase 4: Ein neues Leben beginnen
Die Maßnahmen der vorangegangenen Phasen führen in der Regel zu tiefgreifenden Korrekturen im Leben der Betroffenen. Manchmal reicht aber Veränderung nicht aus, um dem Burnout für immer zu entkommen, sondern nur ein völliger Neuanfang. Das Leben muss in diesen Fällen auf eine neue Grundlage gestellt werden.
Um diesen Weg zu gehen, muss der bisherige aufgegeben werden. Das bedeutet aber auch, die bisher verfolgten Lebensziele aufzugeben. All das, was einem bisher angetrieben und motiviert hat. In dieser Situation ist es notwendig, sich noch einmal auf die Suche nach dem Sinn des Lebens zu begeben, um seinen Purpose – in Japan spricht man von seinem Ikigai – zu finden.
Dieser Prozess dauert Monate oder gar Jahre und muss kontinuierlich und mit Nachdruck vorangetrieben werden. Das ist nur möglich, wenn es in Phase 3 gelungen ist, die Situation zu stabilisieren und ein Leben zu führen, das weitgehend frei von den Symptomen eines Burnouts ist.
Unsere Angebote zu Burnout
Wir arbeiten auf Basis eines in der Praxis bewährten und wissenschaftlich fundierten Vorgehensmodells zur Burnout-Prävention und Behandlung. Das Grundverständnis und die Elemente dieses Modells sind in diesem Artikel beschrieben.
Als ein herausstechendes Erfolgskriterium hat sich die Unterscheidung zwischen der Frühform eines beginnenden und eines ausgeprägten Burnouts erwiesen. Die unterschiedlichen Vorgehensweisen in diesen beiden Stadien führen in der Praxis zur besonders erfolgreichen Bewältigung eines Burnouts bei geringstmöglichem Aufwand.
Weitere Informationen zu unseren Angeboten und unserem Vorgehen in Zusammenhang mit Burnout finden Sie hier: Burnout-Coaching.
Premium Content
Zum Thema Burnout gibt es einen kostenlosen Premium Content. Dabei handelt es sich um einen umfangreichen Selbsttest Burnout. Er liefert Ihnen Hinweise darauf, ob bei Ihnen Risiken für ein Burnout bestehen und wie Sie damit umgehen. Vor allem aber hilft er Ihnen, einen vielleicht beginnenden oder bereits ausgeprägten Burnout zu erkennen.
Fragen und Antworten zu Burnout
Was ist die Vorstufe von Burnout?
Frühindikatoren eines drohenden Burnouts sind zum Beispiel
- Unruhe und gewisse Rastlosigkeit im Beruf,
- größere berufliche Anstrengungen und ein gesteigertes Engagement aufgrund einer
- (subjektiv empfundenen) geringeren Leistungsfähigkeit,
- ein sich dadurch einstellendes Gefühl, nie Zeit zu haben,
- die Vernachlässigung anderer Bedürfnisse,
- abnehmende Selbstsicherheit und
- aufkommende Versagensängste sowie
- Schlafstörungen, insbesondere vor dem Beginn der Arbeitswoche.
Das sind Warnsignale für einen sich möglicherweise anbahnenden Burnout und sollten daher sehr ernst genommen werden.
Was tun bei ersten Anzeichen von Burnout?
Stellen Sie Anzeichen einer Burnout-Symptomatik fest, sollten Sie prüfen, ob vielleicht eine körperliche Erkrankung vorliegt, wie eine Infektion oder eine Schilddrüsenerkrankung. Diese führen zu ähnlichen Symptomen.
Werfen Sie einen Blick auf Ihr Stressniveau im Beruf. Sollten Sie schon länger anhaltend hohem Stress ausgesetzt sein, ergreifen Sie schnellstmöglich Sofortmaßnahmen zur Stressbewältigung. Und beginnen Sie gleichzeitig mit dem systematischen Abbau stresserzeugender Faktoren (Stressoren).
Treten die Symptome auf, ohne dass Sie chronischen Stress im Berufsleben erfahren, sollten Sie abklären, ob vielleicht eine psychische Erkrankung vorliegt. So weisen zum Beispiel Depressionen, generalisierte Angsterkrankungen, chronische Schlafstörungen oder auch Substanzmissbrauch (Alkohol/Tabak) eine dem Burnout in Teilen ähnliche Symptomatik auf.
Kann man mit Burnout arbeiten gehen?
Es kommt auf den Schweregrad eines Burnouts an, ob man arbeiten gehen kann oder sollte.
Bei einem beginnenden oder leichten Burnout kann man ohne weiteres arbeiten gehen. Das muss aber unbedingt mit der Bekämpfung des Burnouts einhergehen, damit er sich nicht verstärkt und zur Arbeitsunfähigkeit führt.
Allerdings muss damit gerechnet werden, dass die Arbeitsleistung und Qualität der Arbeitsergebnisse während des Bestehens eines Burnouts geringer sind. Zudem können Betroffene öfter krankheitsbedingt ausfallen, weil Burnout zu Erschöpfungszuständen und einer verminderten Immunabwehr führt.
Bei einem ausgeprägten Burnout mit schweren Symptomen ist meist eine berufliche Auszeit notwendig, in der die Betroffenen wegen Ihres Burnouts behandelt werden und ihn überwinden.
Was sage ich meinem Arbeitgeber bei Burnout?
Es kommt auf die betriebliche Situation, das Betriebsklima, die Kultur und das Verhältnis zu Vorgesetzten und Mitarbeitenden an, ob und was man über einen vorliegenden Burnout offenbart.
Ein Burnout ist meist mit Leistungseinbußen und Krankheitsausfällen verbunden. Daher kann es in Unternehmen, in denen ein hoher Leistungsdruck und interner Wettbewerb herrscht und die Mitarbeitenden einer ständigen Bewertung ihrer Arbeitsleistung ausgesetzt sind, ratsam sein, einen sich anbahnenden oder bereits ausgebildeten Burnout zu verschweigen.
Das ist aber hinsichtlich der Überwindung eines Burnouts keine gute Lösung. Denn dafür ist es erforderlich, die äußeren stresserzeugenden Faktoren im Arbeitsalltag auf der systemischen Ebene zu beseitigen. Allerdings ist anzunehmen, dass das in solchen Unternehmen ohnehin nicht möglich ist.
In anderen Unternehmen, in denen ein wertschätzender, respektvoller, einfühlsamer und führsorglicher Umgang miteinander die Regel ist, sollte das Vorliegen einer Burnout-Problematik offen angesprochen werden. Denn in einer solchen Kultur arbeiten in der Regel alle Beteiligten daran, die beruflichen Rahmenbedingungen so zu verbessern, dass ein Abrutschen in einen Burnout verhindert werden kann.
Bei einem krankheitsbedingten Ausfall aufgrund von Burnout muss, wie bei anderen Erkrankungen auch, eine Krankschreibung erfolgen. Die Art der Erkrankung geht den Arbeitgeber nichts an – es sei denn, sie ist von betrieblicher Bedeutung.
Soll ich wegen Burnout kündigen?
Von einer spontanen Kündigung wegen Burnout ist dringend abzuraten. Zunächst sollten die möglichen beruflichen Ursachen für das Eintreten eines Burnouts geklärt werden.
Liegen die Ursachen vor allem im betrieblichen Umfeld und den Rahmenbedingungen der Arbeit, sollte erstmal darüber nachgedacht werden, ob diese in eine positive Richtung verändert werden können. Und ob der Burnout so überwunden werden kann und der Job dann wieder richtig Spaß macht.
Sollte sich herausstellen, dass die Organisation nicht zu einer solchen Entwicklung fähig ist oder die Ziele und Werte des Unternehmens sich von denen der Betroffenen so weit entfernt haben, dass die Passung zwischen der Persönlichkeit und dem Unternehmen nicht mehr gegeben ist, sollte eine Kündigung ins Auge gefasst werden. In diesem Falle ist es von großer Bedeutung für die nachhaltige Überwindung eines Burnouts, dass es einen konkreten Plan für die Zeit nach der Kündigung gibt, der positive Zukunftsaussichten bereithält.